Ein Hauch von Unzeit

09.01.2017

26.11.2017

Foyer Opernhaus, Kiel

Essigfabrik, Lübeck


Das Programm „Ein Hauch von Unzeit“ verbindet alte und neue Werke miteinander. So wird beispielsweise die Form des Kanons in ihrer alten wie zeitgenössischen Auffassung präsentiert.
Alt trifft dabei auf Neu, denn die Werke von Joseph de Boismortier, Thomas Morley und Johann Gottfried Walther stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, erklingen jedoch auf heutigen Instrumenten, so dass eine Brücke entsteht zu Werken der zeitgenössischen Komponisten György Ligeti, Sofia Gubaidulina, Morton Feldman und Klaus Huber. Sie haben sich im 20. Jahrhundert mit der Alten Musik auseinandergesetzt und unterschiedlich daran angeknüpft. So setzt Sofia Gubaidulina in ihrem »Quasi Hoquetus für Viola, Kontrabass und Klavier« ein Stilmittel spätmittelalterlicher Musik ein, das Form bildend das gesamte Stück durchzieht. Während lange Melodielinien sich darüber wie Fangarme ausbreiten, pulsieren darunter nervös kleine Notenwerte. Klaus Huber greift in seinem Werk »Ein Hauch von Unzeit« aus dem Jahr 1972 dagegen ein Thema Henry Purcells auf. Das Werk für variable Instrumente soll im Idealfall hinter Wandschirmen musiziert werden, so dass das Publikum nur den Schatten der Musiker sehen kann. Dabei geschieht eine Idealisierung der reinen Hörsituation, wobei zudem jeder Musiker in seinem eigenen Metrum musiziert, so dass keine geleitete sondern eine nur unbewusste Synchronisation der Stimmen entsteht. Ähnlich zeitlos ist Morton Feldmans Musik, gleichmäßig und so leise wie möglich ziehen die Klänge des Klaviers in seinen „Extensions“ sphärisch ihre Bahnen gleich Sternen im Kosmos. 
György Ligeti wiederum rückt die Bratsche als Soloinstrument in den Fokus. Inspiriert wurde er dazu, als er Tabea Zimmermann im Radio spielen hörte. Und auch Ligeti nutzt für seine Sonate für Viola Merkmale des Barock: Mehrsätzigkeit, Lamento, Chaconne und Ostinato (ein Stilmittel, welches Ligeti häufiger benutzt) sind dabei die offensichtlichsten; gleichzeitig nutzt er Mikrotonalität und rhythmische Anleihen aus dem Jazz und der rumänischen Folklore um seine eigene typische Tonsprache zu erreichen. 
Ein äußerst vielfältiger Abend mit ungewöhnliche Klangsphären und spannenden Querverbindungen erwartet das Publikum.

 [PROGRAM]

Johann Christoph Demantius: 6 Fugen für zwei Streichinstrumente aus „Isagoge Artis Musicae“ (1632)

György Ligeti: Hora lunga, Loop aus „Sonate für Viola solo“ (1991-94)

Joseph Bodin de Boismortier: Suite Nr. 5 a-Moll für 2 Streichinstrumente

Peter Ruzicka: Sonata per Contrabbasso in sieben Phasen [UA der neuen Version von P. Ruzickas „Sonata per Violoncello“ von Heiko Maschmann]

Sofia Gubaidulina: Quasi Hoquetus für Viola, Kontrabass und Klavier (1984/85)

Francois Couperin: Nr. G-Dur für zwei Streichinstrumente aus „Noveaux Concerts“ (1724)

Klaus Huber: Ein Hauch von Unzeit (1972)